Von der Leichtigkeit des Blaufränkisch

August 26, 2006

Blaufränkisch ein Leichtwein? Nein, leicht trinkbar, authentisch, vielschichtig, typisch eben, nicht mehr, aber auch nicht weniger, auch nicht von Milan Blaufränkisch am Eisenberg Kundera, sonst wär‘ er ja „unerträglich“, soll er sein, wie er es früher einmal war. Vor Österreichs sogenanntem Rotweinwunder. Dieses ist hinlänglich bekannt, Namen wie ‚Salzberg‘, ‚Mariental‘ oder ‚Dürrau‘ sind unter Weinkennern längst ein Begriff. Eine, manchmal auch eigenfinanzierte Vergleichsprobe mit renommierten Gewächsen jagte die andere, die Roten aus Österreich schafften es zu internationaler Anerkennung und in nie für möglich gehaltene prominente Preissegmente.

Jedoch entpuppen sich bei genauerem Hinschauen und Schmecken selbst in der Spitze meist nur 2 Weintypen: Kraftprotze aus großem Ausgangsmaterial, das regelmäßig vom Holz maskiert wird (und bleibt) einerseits, oder gut gemachte, auf internationalen Publikumsgeschmack getrimmte Softies andererseits. Das ganze wird dann vielfach als typisch österreichische Eleganz (!) oder noch frecher als spezifisches Terroir promoted. Der Fachpresse gefällt’s, und entsprechend dem hörigen Konsumenten. Kein Wunder, liegt doch das Hauptaugenmerk vieler Winzer zunehmend in deren Selbstdarstellung und im gegenseitigen Übertreffen imposanter Kellerneubauten. Der angeblich beste Rotwein des Landes wurde von einem Fleischhauer gemacht, mit hyperdynamischen Jungwinzern und ihren Alkohol- und Holzexzessen, der „Konzentriermaschin'“ sei Dank, im Schlepptau. Aber es geht auch anders.

So sagte mir Blaufränkisch-Fan Dirk Niepoort gestern anlässlich der Spitzerberg Renaissance: Blaufränkisch, und nicht etwa Nebbiolo, ist die weltweit am ehesten mit Pinot Noir vergleichbare Sorte!“. Wenn man sie richtig anfasst. Seit wenigen Jahren ist eine begrüßenswerte, noch sehr nukleare Gegenbewegung aktiv. Die steht für enorme Filigranität, Länge und Tiefe statt Power und Alkohol, messerscharfe Präzision statt überbordende Frucht, Mut zu grünen Aromen statt makellosen Übersee-Tuttifrutti, anhaltenden Trinkspaß statt beeindruckenden Verkostungsschluck, kurz gesagt Herkunft statt Parker und Mainstream. Größere und gebrauchte Gebinde statt neuer Barriques kommen zum Einsatz, und als äußeres Erkennungsmerkmal erfolgt die Abfüllung in Burgunder- statt Bordeauxflaschen.

Nachzuprobieren bei Uwe Schiefer am Eisenberg (‚Szapary‘, ‚Reihburg‘), Roland Velich mit seinen MORIC-Weinen aus dem als Blaufränkischland bekannten Mittelburgenland (‚Alte Reben Neckenmarkt‘ und ‚Alte Reben Lutzmannsburg‘) oder dem neuen Projekt von Dorli Muhr und Dirk van der Niepoort (‚Spitzerberg‘, erst ab 2004, die beiden Vorgängerjahrgänge waren jeweils ein Opfer des Jahrgangs und lieferten nicht die gewünschte Qualität). Als Geheimtipp sei noch Johannes Trapl genannt, der zunehmend authentischere Blaufränkische vom Spitzerberg aus 35-jährigen Reben erzeugt, vor allem, wenn er den Holzeinsatz in den nächsten Jahren zurücknimmt. Oder heute abend, wenn Dirk Niepoort im Rahmen der Carnuntum Experience ausgesuchte Blaufränkische großen Namen wie DRC, Armand Rousseau oder Dugat Py gegenüberstellt.

12 Responses to “Von der Leichtigkeit des Blaufränkisch”

  1. vino Says:

    Mich würde ein Bericht von dieser Verkostung doch sehr interessieren. Klingt jedenfalls nach einem tollen Event und vor allem nach sehr guten Weinen. 😉

  2. pivu Says:

    Mich auch (ich denke Du meinst die „Burgundy meets Blaufränkisch“-Verkostung, oder?), ich war ja nur am Vortag bei der Spitzerberg-G’schicht (und Absacken bei der „White Wine Fashion“). Kommt sicher irgendwo. Ich werd‘ aber Dirk mal anmailen.

  3. riesling Says:

    Welchem Jahrgang des ‚Szapary‘ gibst Du den Vorzug? Dem duftigen, komplexen 2002er oder dem würzig-üppigeren 2003er?

  4. weinfidél Says:

    Tschuldigung, das sehe ich definitiv anders… ich sehe im St.Laurent sehr viel mehr Ähnlichkeit zum PN und bin eigentlich überzeugt, dass diese Sorte kurz vor dem Durchbruch ist (bei den Winzern!). Dies habe ich schon vor Jahren John gesagt, in der Meinung, dass da ganz ganz viel möglich ist. Leider aber wegen der Difficilität der sorte, hat man bis jetzt dies vernachläßigt. Blaufränkisch sehe ich doch eher näher bei Sangiovese, und dies meine ich absolut nicht abwertend. Parallellen sind nämlich vorhanden, nur schon, dass ursprünglich mit den ‚guten‘ Toscanern fast immer auch Cuvées gemeint waren. Erst gegen Ende der 80er, resp. anfangs der 90er wurden die Möglichkeiten der reinsortig ausgebauten Sangioveses wirklich erkannt… beim Blaufränkisch haben wir doch, zwar zeitversetzt, eine ähnliche Entwicklung?! Und befangen wie ich bin, traue ich dem BF sogar noch weit mehr zu, als dem SG 😉 .

  5. pivu Says:

    @riesling: ganz klar dem 02er, leider hab‘ ich nur mehr 3 Flaschen davon. Noch besser ist der 04er, und den gibt’s sogar noch zu kaufen. Und auf die 05er darf man trotz aller Unkenrufe gespannt sein, Uwe Schiefer profitierte als einer der ganz wenigen, wenn nicht als einziger im Südburgenland vom letztjährigen Goldenen Herbst, indem er sehr spät gelesen hatte.

    Hier noch ein weiterer Tipp für treue Leser: mit dem Jahrgang 2004 vinifizierte Uwe erstmals einen weiteren Blaufränkisch aus der Toplage Reihburg, nämlich den der Wiener Aus- und Aufsteigerin Jutta Ambrositsch (auch ihre Grinzinger Weine sind highly recommended), der aus Fairness Uwe gegenüber nicht ‚Reihburg‘ heisst, sondern nach einem benachbarten Gasthof benannt ist (‚Nähe Hetfleisch‘). Die gigantische Menge von 180 Litern vom ’05er wird übrigens diese Woche abgefüllt, 2006 ging sich immerhin ein ganzes Barrique aus, das aber zur Gänze in Uwes ‚Reihburg‘ landen wird.

  6. pivu Says:

    @weinfidél: d’accord insoweit, da Pinot Noir ein Elternteil des St. Laurents ist. Dennoch erreicht kein einziger Vertreter, den ich kenne, auch nur ansatzweise die Eleganz der Pinots, zumindest noch nicht, ich empfinde den St. Laurent als wesentlich stoffiger, vollmundiger, bisweilen auch krautig. Dazu kommt, dass es wohl noch einige Zeit dauern wird, bis der St. Laurent in die Qualitätsregionen der besten Blaufränker vorstoßen wird. Weine wie Pepi Umathums ‚Vom Stein‘ sehe ich noch als Ausnahme von der Regel, ich bin gespannt, was Silvia Prieler à la longue auf die Flasche bringen wird, die glaub‘ ich in einer ihrer besten Lagen St. Laurent gepflanzt hat.

    Heute ist für mich der Blaufränkisch einfach näher dran am Pinot, ob noch näher an Sangiovese, darüber kann man trefflich streiten. Bei vielen Blaufränkischen wie ich sie liebe (auch einfacheren) finden sich tatsächlich auch durchaus typische Veilchennoten.

  7. Gerald Says:

    Nun, mit den Angaben über die Ähnlichkeit der Rebsorten habe ich so meine Zweifel. Der Blaufränkische kommt doch in so vielen verschiedenen Varianten vor, dass man sicherlich mit etwas Suchen einen Vertreter findet, der an jede beliebige andere rote Sorte erinnert.

    Aber auf jeden Fall erfreulich ist, dass der Trend anscheinend weg von den „easy drinking“ Rotweinen mit viel Körper, Frucht, Alkohol und einschmeichelndem Charakter am Gaumen geht, denn das können Spanien, Südfrankreich & Co besser (und billiger). Etwas kantiger so wie in vielen 2004ern (für mich übrigens in der Breite vermutlich der bisher größte Jahrgang im Burgenland) ist der Wein doch viel individueller und erkennbarer, was für ein kleines Weinbaugebiet wie das Burgenland für Exporterfolge wohl unbedingt notwendig ist.

    Und gerade Exporterfolge tun not, denn – wenn man den Angaben von Händlern glauben kann – in Österreich scheint der Hype um das „Rotweinwunder“ langsam zurückzugehen. Die Topweine sind nicht mehr wie vor 5 Jahren schon Wochen nach Erscheinen ausverkauft, die Konsumenten haben ihre Keller aufgefüllt und merken, dass ihnen der Wein mit den 95 Falstaff-Punkten doch nicht so gut schmeckt, dass sie dafür 30 Euro und mehr ausgeben wollen.

    Meiner Meinung nach ist das aber eine gesunde Entwicklung, auch wenn sie für manche Winzer schmerzlich ist. Denn wenn man den Wein aus den Händen gerissen bekommt, dann muss man sich ja gar nicht mehr bemühen, möglichst viel Qualität für den Preis zu produzieren.

  8. florian Says:

    sehe das potenzial des blaufränkisch und die charakterliche nähe zum pn durchaus ähnlich, allerdings eben nur auf entsprechendem untergrund und mit entsprechendem klima: am abhang der parndorfer platte wird’s immer eher süßfruchtig und fett, auf den schweren böden horitschons und deutschkreuz‘ immer eher kantig werden. kein wunder, dass sich hans nittnaus zunehmend für die hochmineralischen hänge des leithagebirges interessiert und uwe schiefer applaus von ausgewiesenen burgunder-trinkern bekommt. wo ich allerdings widersprechen muss, ist das bashing des „schwarz rot“: marketing ist hier ein punkt, klar, aber dieser wein brilliert keineswegs nur mit kraft und der öden kirschfruchtigkeit anderer power-zweigelts, der wein zeigt sogar mit dem extremen jahrgang 2003 eine erstaunliche feinheit und komplexität und mineralität (schotterböden, erinnert extrem an graves) – blind würde man den nie im leben als zweigelt erkennen. beim „battonage“ – auf den ebenfalls angespielt wurde, nehm ich an – sieht’s anders aus, klar: kraft ist hier das thema, alle mittel sind erlaubt. ich seh diesen wein aber eher als experiment mit fast schon ironischen zügen, zu konsumieren wie einen portwein.

  9. duni Says:

    Schwarz rot ist sicher ein interessantes Experiment, es wird lehrreich sein, ihn in Minischluckerln zu degustieren-trinken könnte zumindest ich davon nicht mehr als ein, zwei Gläser. Dafür ist er einfach zu schwerfällig, macht satt und träge.

  10. pivu Says:

    @florian (schön, von Dir hier zu lesen): Deine Vermutungen waren richtig, ich meinte aber eher den ‚Schwarz-Rot‘ aus 2000, da war er dick und fett (der Wein) und Falstaff-Sieger obendrein. (Würd‘ wirklich gern wissen, wie – und ob – der heute schmeckt.) Beim 03er geb‘ ich Dir recht, ich hatte ihn letztes Jahr im Rahmen einer breitangelegten Jahrgangsverkostung als letzten Wein: in Erwartung eines Blockbusters hatte ich plötzlich einen „leichten“, harmlosen harmonischen Zweigelt im Glas. Ein Blick aufs Etikett bestätigte den für Schwarz’sche Verhältnisse moderaten Alkoholgehalt (13,5% statt 14,5 und mehr). Aber warm wurde ich trotzdem nicht mit ihm, vielleicht lag’s ja an der im Übermaß verkosteten Brombeer-, Kirsch- und Ribiselmarmelade zuvor. Aber das ist doch ein gutes Zeichen, wenn selbst so ein Überdrüber-Wein auch mit Eleganz punkten kann, ich werd‘ mir den 04er ernsthafter ansehen, versprochen.

  11. Wilfried Says:

    Ich war bei der Verkostung „Burgundy meets Blaufränkisch“ dabei – war nicht nur vom Thema her interessant, sondern insgesamt ein sehr angenehmer und entspannter Abend mit ca. 25 Teilnehmern aus der Wein- und Gastronomieszene. Die 10 Weine (pro Wein 2 Flaschen waren gut (in Qualität und Verfassung) ausgesucht, wurden einige Stunden vor der Verkostung geöffnet, aber nicht dekantiert. Kein einziger Kork, eine Flasche war im Rahmen normaler Flaschenvariation ev. minimal beeinträchtigt. Serviert wurde in Burgundergläsern in 5 Flights mit je einem Burgunder und einem Blaufränkischen (Weinliste gab es aber keine, die Verkostung war daher doppelt blind), die nach der Verkostung von Dirk Niepoort vergleichend kommentiert wurden.
    Die Behauptung aus der Ankündigung: „Wetten, dass es nicht ganz so eindeutig ist, wenn große Burgunder von Armand Rousseaux, Dugat Py oder der Domaine de la Romanée Conti in einer Blindverkostung neben ausgesuchten Blaufränkisch aus Carnuntum & Co serviert werden?“ war eine Themenverfehlung, denn es stand gar nicht zur Diskussion, ob die Weine klar nach Traubensorte bzw. Herkunft unterscheidbar sein würden (selbst der eine Burgunder, der nicht gerade sehr typisch war, war klar kein Blaufränkisch, ich hätte da eher an den Charme von Niepoort gedacht) – es ging mehr um die Positionierung des Blaufränkisch als Rebsorte mit eigenem Profil und grossem Potential. Bemerkenswert an dieser Veranstaltung war auch, dass bei den Burgundern nicht gespart wurde und „grosse“ Weine dabei waren – das ist bei Verkostungen zum Thema Burgund ja nicht die Regel. Und die Blaufränkischen – die haben sich sehr gut geschlagen: Zwar klarerweise gänzlich anders als Burgunder, aber in Sachen Qualität keineswegs abgeschlagen, ganz im Gegenteil – mein Wein des Abends war ein Blaufränkischer, wenn auch nicht aus Carnuntum. Sicher auch eine Frage des persönlichen Geschmacks, wobei ich für Burgunder durchaus viel übrig habe.

    Für Interessierte gibt’s hier die Verkostungsnotizen.


  12. […] Ähnlich argumentierte kein Geringerer als Dirk van der Niepoort, der vor knapp 2 Jahren Blaufränkisch mit Pinot Noir verglich, und ich danach die Leichtigkeit des Blaufränkisch’ entdeckte. Diese Stilistik fand in den letzten Jahren immer mehr Nachahmer […]


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