Festtagssprudel

Dezember 18, 2007

„Alle Jahre wieder …“ – es ist die Zeit der Besinnung, aber auch der Freude, und zu feiern gibt es auch genug. In meinem Fall nicht nur zu WeinrallyeWeihnachten und Neujahr, sondern gleich danach ohne Erholungspause die Geburtstage meiner beiden Töchter am 1. und 3. Januar. Da trifft es sich gut, dass Lars Breidenbach alias schreiberswein als Ausrichter der 6. Weinrallye zur Schaumweinrallye ruft und folgende Frage beantwortet haben möchte: „Mit welchem Schaumwein feiert ihr ins neue Jahr?“

Sorry Lars, aber die Frage kann ich nur teilweise beantworten, da ich ab Sonntag fortwährend mit Schaumweinen konfrontiert sein werde. Dieses Jahr kommt mit dem Geburtstag der derzeitigen Flamme meines Sohnes noch ein weiterer „Feiertag“ hinzu. Aber ganz unpraktisch bei den drohenden Magenattacken von Gans, Fondue & Co ist das nicht, ist Champagner doch appetit- und verdauungsanregend zugleich. Damit ist die erste Eingrenzung gemacht: Schaumwein heißt für mich Champagner, da kommt keine guter Winzersekt, Crémant, Cava oder Spumante heran, von ganz wenigen Ausnahmen abgesehen, die aber um nichts günstiger sind. Neben Jahrhunderten an Tradition und Erfahrung sind es die einmaligen, kreidehaltigen Böden, die sonst nur noch in Bandol und Südengland zu finden sind, die die Klasse eines Champagners ausmachen.

Nun ist Champagner nicht gleich Champagner, ich meine nicht die kultigen Prestigemarken von der Witwe bis zum Mönch, die ausgelassene Grand-Prix-Sieger aus der Impériale über das jubelnde Volk vergießen, sondern Vertus im Winterauthentische Winzerchampagner. Schon seit Jahren ist jeder Trip nach Paris oder in Richtung Atlantik mit einem Umweg in die Champagne verbunden, um auch die letzte Lücke im meist übervollen Kofferraum mit der einen oder anderen Kiste meines Favoriten zu stopfen und neue Geheimtipps zu entdecken. Einer dieser Geheimtipps, den ich auch einem Geschäfts- und Weinfreund verdanke, waren für mich die Champagner des sympathischen Winzerpaars Sophie und Pierre Larmandier in Vertus, die zweite Eingrenzung für Silvester. Diese übrigens nach biodynamischen Richtlinien hergestellten Weine werden vermehrt auch von anderen entdeckt und sind seit neuestem im deutschen Weinhandel prominent vertreten, was leider zu einem deutlichen (ca. 30%) Anziehen der immer noch günstigen Ab-Hof-Preise führte.

Die Cote des Blancs im Süden der Champagne ist Chardonnay-Land, aktuell liegen fast 3 Kisten der 4 weißen Champagne Larmandier-Bernier in meinem Keller, das sollte für die kommenden 2 Wochen reichen. Der Einstiegswein ist der ‚Tradition‘, der ideale Champagner, um Etikettentrinker abzuholen und diese von der individuellen Klasse aber auch von jahrgangsbedingten Typizitäten zu überzeugen. Dieser beschwingte und enorm belebende Referenz-Champagner mit Suchtpotenzial ist eine Cuvée mit 80% Chardonnay und 20% Pinot noir, zu 2 Drittel aus einem Jahrgang (aktuell 2005). Einmal an den Stil des Hauses gewöhnt, schätzt man den ‚Blancs de Blancs‘ als klassischen und anspruchsvollen Aperitif. Dieser reinsortige Chardonnay ist eine Spur nerviger, mineralischer und fordernder als der ‚Tradition‘. Beide sind tiefstapelnd Bescherung (4 Fl. Larmandier)als „Brut“ deklariert, dabei erfüllen sie mit nur 5 bzw 4 Gramm Dosage die Anforderungen eines „Extra-Brut“, auch ein Resultat der hohen Qualität des Leseguts.

Gänzlich ohne Dosage kommen die beiden Jahrgangs-Champagner aus, die noch in großen Holzfässern vergären und reifen. Der(Né d’une) Terre de Vertus‘ ist ein kompromissloser Single-Cru, sehr puristisch, an der Grenze zur Dekadenz, und trotzdem seidig und anschmiegsam aufgrund des langen Hefelagers. Ein Wein mit eigenem Profil, der sich dennoch jedem großen Essen unterordnen kann. Aus sehr alten, als Grand-Cru klassierten Rebanlagen (48 – 70 Jahre) im etwas weiter nördlichen Cramant stammt der rarste und spannendste Champagner von Larmandier-Bernier‚ der ‚Vieille Vigne de Cramant‘. Bei aller richesse und Dichte lebt dieser Wein vom Terroir, wie man es von den besten weißen Burgundern kennt, das die Zitrus- und floralen Aromen in den Hintergrund drängt. Entsprechend eigenwillig und charaktervoll präsentiert sich dieser Stoff, sehr fokussiert, weniger breit dafür enorm lang. Ein Wein, der seinesgleichen sucht und selten findet, schon gar nicht außerhalb seiner Appellation.

Welcher wird es werden am 1.1.2008, 0:00 Uhr? Ich weiß es nicht, sogar der schlanke ‚Blanc de Blancs‘ als Aperitif zur Gulaschsuppe ist eine Option.

Bildquelle: Champagne Larmandier-Bernier

5 Responses to “Festtagssprudel”


  1. […] Von Pivu traf jetzt gerade noch der versprochene Artikel zum Champagner ein. Das Warten hat sich aber durchaus gelohnt. Der Beitrag ist ein fachlich fundiertes Plädoyer für den doch oft geschmähten König der Schaumweine. […]

  2. Iris Says:

    Schön, dass noch jemand aus Kenntnis der Unterschiede sich nicht dem verallgemeinernden Champagner-Bashing angeschlossen hat. Die Reihe der kleineren Winzer, die nicht einfach massenhaft Trauben aufkaufen und mit viel edlem Marketinggetöse an die Schickeria und die, die es einmal im Jahr sein wollen, verkaufen, ist beachtlich und viele haben auch schon auf umweltschonendere Methoden umgestellt, wie „Ihr“ oder „mein“ Winzer:-)

  3. pivu Says:

    Ist’s nicht auch in der Champagne ähnlich wie in der Charente, wo der Weinmarkt (dort Cognac) über Jahrzehnte von großen Handelshäusern, die mit ihren vielen Zulieferanten fast ewig währende „Knebelverträge“ geschlossen haben, oligopolartig dominiert wird, bzw. wurde? Jedenfalls meine ich hier wie dort seit vielleicht 10 Jahren eine Art Aufbruchstimmung unter ambitionierten Kleinbetrieben zu erkennen, die aus den Verträgen mit Hennesy, Pommery & Co ausbrechen konnten, und für deutlich weniger Geld deutlich bessere Qualität erzeugen. Das Problem ist halt die Vermarktung, vor allem über die Region (und Paris) hinaus.

  4. boris maskow Says:

    larmandier berniers 2000er pc steht bei mir für die feiertage auch noch auf der verkostungsliste, insgesamt finde ich die champagner von l-b schon ganz überzeugend, war aber noch nie selbst da – wird bei der nächsten champagnetour nachgeholt 🙂


  5. […] Ein fachlich fundiertes Plädoyer für den oft geschmähten Champagner ist bei Pivu nachzulesen. […]


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