Männlicher Wein

März 20, 2007

Ich verwende schon mal die Attribute männlich und weiblich beim Wein. Auch die alten Franzosen sprachen beim Bordeaux von „masculin“ und beim Bourgogne von „féminin“. Nun, spätestens seit Parker & Co gilt diese Schubladisierung nicht mehr. Woran aber macht man einen männlichen Wein fest?

Ich Zidarich Vieworientiere mich da am ehesten an der Landschaft, ist diese rauh, mit schroffen Felsen und unwirtlichen Stürmen, oder eher lieblich, mit üppiger Vegetation und sanften Hügelzügen. Gar nicht selten findet man beides nebeneinander, auch im gleichen Betrieb. Apropos, die Schlußfolgerung weibliche Winzer erzeugen ebensolche Weine, ist falsch und irreführend, eher das Gegenteil ist der Fall, vielleicht, um gerade gegen dieses Vorurteil anzukämpfen.

Nun aber zu einem Prototyp eines männlichen Weins, ich hab’s ja hier versprochen, aus einer auf den ersten Blick unwirtlichen, dafür umso reizvolleren Gegend, dem italienischen Karst, einem schmalen, kargen Landstrich oberhalb von Triest an der Grenze zu Slowenien. (Ich geb’s zu, ich bin voreingenommen.) Es ist ein Vitovska [Vitouska, slow. v = u], ein Wein aus einer wiederentdeckten, autochthonen Rebsorte, der komplett auf der Maische vergoren wird, um danach ohne Beifügung von Schwefel (vorher und nachher) 1 1/2 Jahre im großen Holzfass zu reifen und ohne zu filtern abgefüllt zu werden. Einer dieser Naturweine neuer Generation also, der Winzer Benjamin Zidarich ist auch Mitglied der Gruppe vini veri.

Vitovska 2004
Az. Agr. Zidarich, Prepotto, Friaul, Italien

Leicht trüb und goldgelb im Glas, riecht der Wein erst nach sehr wenig, vielleicht nach Öl, und zwar Motoröl, rein optisch passt’s jedenfalls. Wir sind in Italien, also Agip für einen 12-Zylinder-Ferrarimotor. ZidarichDazu gesellen sich leicht rauchige und salzige Noten sowie etwas Mandeln, ähnlich einem Manzanilla oder Fino. Wie Motorölwechsel mit Salzmandeln in der Tapasbar in Jerez, nicht unmännlich also. Den Winzer selbst erinnert der Gestank Duft an den Karst im Frühling, wenn sich die Winde der Alpen und des Meeres mit der Sonne treffen. Würze und Schroffheit treffen auf Salz und ungezügelte Kraft, Kälte auf Wärme, ein schöner Vergleich und wesentlich poetischer.

Im Mund dann die erste Überraschung, hinter der rauhen Schale steckt ein weicher Kern (der Wein war einige Stunden in der Karaffe), sanft und zärtlich aber bestimmt schmiegt sich der entfernt an getrocknete Marillen erinnernde Stoff auch bis an den letzten Mundwinkel. Nicht kraftvoll oder vordergründig tut er dies, sondern sehnig und ausdauernd verwöhnt er unseren Gaumen, genauso wie es die Damen mögen, das zumindest wird immer behauptet.

Was bleibt ist pure Mineralität, die manche Chenins an der Loire auszeichnet, nur noch puristischer, ich notiere getrocknetes Heu auf heissem Stein. Das Zeugs muss erobert werden, schmeckt sicher erst ab dem 2. oder 3. Glas, dann aber umso mehr. Noch besser freilich zu Schinken (Pršut) oder Speck.

Bezeichnend auch, dass dieser Vitovska der erklärte Lieblingswein von Nevenka, der charmanten Winzersgattin ist. Schätzen gerade Damen eher männliche Weine? Ich z.B. mag sehr gerne weibliche Weine, doch dazu später. Jetzt herrscht Damenwahl.

3 Responses to “Männlicher Wein”

  1. pivu Says:

    Nicht nur in geschmacklicher, sondern auch in etymologischer Hinsicht ist der Vitovska ein mehr als männlicher Wein. Der Name stammt vom slowenischen „vitež“ [Ritter – Wein der Ritter] ab, als die karsischen Bauern einstmals die condottieri, die italienischen Ritter mit ihrem Wein bezahlten, um ihr Land gegen die Türken zu verteidigen.

    Und dass er sich auch als vorzüglicher Begleiter zu gehobener Fischküche eignet, wurde erst vor einigen Wochen im Rahmen der Präsentation „Vitovska e piatti di pesce“ im Castello di Duino nachdrücklich bewiesen, als sämtliche Topproduzenten jeweils gemeinsam mit einem der vielen empfehlenswerten Fischlokale auftraten. Nachzuprobieren u.a. im „Al Bagatto“ in Triest, im „Pettirosso“ in Santa Croce im Karst oder im „Alla Dama Bianca“ am Hafen von Duino.

  2. sportundwein Says:

    Hab diesen Wein auch im Keller, bin absoluter Friaul Fan. Dazu gesellen sich zahlreiche Radikons und etliche La Castelladas.


  3. Danke, wirklich sehr interessant!
    Ich denke ich muss mal schleunigst in diese Gegend fahren…


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