Punktewahnsinn (10)

November 19, 2009

Seit Mittwoch ist die neue Ausgabe des führenden deutschen Weinführers Gault Millau nun auch offiziell im Handel, nachdem sein vereinzeltes Erscheinen letzte Woche einiges an Irritationen ausgelöst hat. Als bester deutscher Riesling wird dort das ‚Kirchenstück‘ von Bürklin-Wolf geführt, der mit 96 Punkten am Prädikat Weltklasse kratzt. Auch einige geschätzte Weinfreunde sahen diesen Wein an der Jahrgangsspitze. Erstaunlicherweise erhält der gleiche Wein im zweitwichtigsten Weinführer des Landes gerademal 89 Punkte, genauso viel oder wenig wie beim führenden Online-Portal wein-plus, der Feinschmecker meint zu Bürklin-Wolf gar „mehr als durchschnittliche Qualitäten bieten die 2008er Weine nicht“. Ich selbst sah Bürklin-Wolfs ‚Kirchenstück‘ in diesem Jahr bei 91+, und damit schwächer als im Vorjahr vor allem aufgrund der heuer zu deutlich wahrnehmbaren Restsüße.

Wer hat nun recht oder unrecht?

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Blaufränkisch vs Lemberger, reizvoll und doch langweilig zugleich, noch immer gingen die Burgenländer bei solchen Vergleichen Blaufränkisch und Lemberger 0902als Sieger hervor, auch ohne „AuWi„-Doping. Auch deshalb war ich gegen eine weitere Auflage einer solchen Blindprobe eines befreundeten Weinhändlers, vielmehr interessierte mich der eine oder andere ausgewählte Vertreter aus Deutschland im kritischen und nachhaltigen Vergleich mit einem Referenzwein aus Österreich. Letztendlich verkosteten wir aus Baden eine Vertikale (05, 06, 07) des ‚Lemberger‘ von Zalwander und den ‚Thymos‘ von Alexander Laible aus Baden, aus Burgenland den burgundischen ‚Neckenmarkter‘ von Moric und den bordeauxhaften ‚Oberer Wald‘ von ET, jeweils aus 2006.

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Richtig spannend wurde es nach der Blindverkostung, als wir unabhängig voneinander unsere Gute Blaufränkischebescheidenen Eindrücke zum Besten gaben. Ich vorneweg, um mich ja nicht nachträglich beeinflussen zu lassen, wozu war ich als Erster fertig? Aber schon bald kamen erste Zweifel auf, hatten die anderen wirklich die gleichen Weine im Glas? Mein Favorit im Glas Nummer 6 heimste gleich 3 letzte Plätze ein, hingegen lag die Nummer 3 überraschend gut im Rennen. Auch das Holzmonster im 2. Glas hatte erstaunlich viele Befürworter, mir stand die Trinkigkeit im Vordergrund. Ein Kontroll-Riechen an Nachbars Glas schloss Fehler beim Einschenken aus. Wenigstens beruhigten mich die beiden Veranstalter am Ende, die ähnlich wie ich, die Nr. 6, 4 und 1 vorne sahen.

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Ich bin überhaupt kein Freund von Blindproben, schließlich muss ich die Weine nicht unvoreingenommen bewerten sondern will sie genießen und in Erinnerungen schwelgen. Unlängst war es aber wieder soweit, einige Top-Blaufränkische aus 2002 standen bei einem Frankfurter Weinhändler an, das Panel war bekannt, und prompt verkommt die ernsthafte Probe zu einem heiteren Ratespielchen. Zumindest für mich, der ich fast alle Weine schon einmal im Glas hatte. Selber schuld.

Vor mir standen also 6 nummerierte Gläser gefüllt mit folgenden Weinen:

Spannung und Klasse war garantiert.

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Reif für die Insel

Juli 10, 2007

Beim View HermadaErscheinen dieser Zeilen bin ich reif für die Insel. Zumindest symbolhaft, zwar bin ich nicht auf einer Insel, aber doch im warmen Süden mit Blick auf’s Meer. Und Wein gibt’s auch rundherum, allerdings keinen Inselwein, wie vom Winzerblog als 1. Etappenziel einer Weinrallye ausgerufen. Was soll ich also schreiben zum Thema, mitten im Urlaub, reif für die Insel?
Weinrallye
Ich könnt’s mir ja leicht machen, und hierhin (Sizilien) oder dorthin (Porquerolles) verweisen, das wär‘ aber langweilig und nicht im Sinne des Erfinders. Aber, ich befinde mich ja gerade auf italienischem Festland, und auch dort wächst Inselwein. Genauer gesagt ein Wein von mehreren Inseln. Alles klar?

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Punktewahnsinn (7)

Mai 31, 2006

Was für Spielereien man mit Punkten noch anstellen kann, nämlich z.B. Kritiker untereinander vergleichen, wird seit gestern unter dem inhaltsreichen Titel 734.825 Punkte in Traubing diskutiert. Ohne weiteren Kommentar, danke aber an den Autor für die beinahe wissenschaftlichen Erläuterungen.

Nur soviel: der sich ergebende „Korrelationskoeffizient“hier wurde ja schon darauf hingewiesen, dass „Mathematiker echte Profis herausfordern“ – ist also nichts anderes als eine Art Handicap beim Golf! Dort spricht man auch von Platzreife, hier ab sofort von der „license to publish“. Mit aussagekräftigen Weinbeschreibungen wäre so etwas nie möglich.
tbc

Punktewahnsinn (5)

Mai 8, 2006

Robert Parker vergibt erstmals 100+ Punkte an einen Wein und sprengt damit sein eigenes, weltweit adaptiertes Bewertungssystem. „Skandal“ heult die blutlechzende Meute von Weinkritikern und solchen, die sich dafür halten! Nach dem Genuss der 3. Magnum im Alkoholbereich zwischen 15 und 16% Alc kann selbst dem großen Meister dieser Fauxpas schon passieren. Aber ist es wirklich „skandalös“, in einem System, das sich am amerikanischen Schulnotensystem orientiert, mit Begriffen wie „mit Auszeichnung“ oder „summa cum laude“ zu operieren? Vor allem, wenn die story nicht im seriösen „Wine Advocate“ sondern in einer Publikation mit dem vielversprechenden Namen „Hedonist’s Gazette“ erscheint?

Nur zur Vollständigkeit sei das corpus delicti erwähnt: es handelt sich um einen 2003er Châteauneuf du Pape, die ‚Cuvée da Capo‘ der kultigen Domaine de Pégaü (aus der Magnum). Wie der Wein en detail geschmeckt hat und beschrieben wird, interessiert leider die wenigsten.
tbc

Douro & Duero (2)

Mai 3, 2006

Auf vielfachem Wunsch folgt hier also der 2. Teil meiner Reflektionen des Wiener Douro & Duero-Tastings. Der Gelbe Salon im noblen Palais Coburg bot hierfür einen mehr als würdigen Rahmen, sogar die mit dezent rotbepunkteter Seide überzogenen Stühle wiesen ein fleckenfreundliches Muster auf.

Gelber Salon
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Punktewahnsinn (4)

April 17, 2006

Äußerst unterhaltsam sind sie ja, die in aller Öffentlichkeit ausgetragenen soap-operas untereinander zerstrittener und aufeinander eifersüchtiger Weinjournalisten. Umso erstaunlicher finde ich die ständig wachsende Zahl von Nebendarstellern, also privaten Weinliebhabern, die Wein nicht (nur) mehr trinken wollen, sondern, wie hier schon angedeutet, primär degustierten und bewerten müssen. Damit nicht genug, gleichzeitig führt auch jeder Weinamateur sein eigenes und selbstverständlich ultimatives Bewertungssystem ein.

Apropos „Bewertungssystem“, als ob es davon nicht schon genug gibt. Da werden Weine anhand einer 100er-, 20er- oder 10er-Skala, und es gibt sicher noch mehr, bewertet, andere vergeben Gläser, Sternchen oder Kellerkatzen. Und selbstverständlich gibt’s innerhalb der einzelnen Systeme erhebliche Unterschiede, so können z.B. 80 Punkte in System A schon „sehr gut“, in System B gerade „barely above average“ bedeuten. Noch verwirrender gestaltet sich der Versuch der Umrechnung aus dem 100er- beispielsweise in das 20er-System: aus den 80/100 Punkten werden dann 12/20 bis 16/20 Punkten. Würfeln ist einfacher und ähnlich aussagekräftig. Kein Wunder, dass bei all dem Durcheinander Mathematiker echte Profis herausfordern und der Weingenuss sukzessive abhanden kommt.
tbc

Punktewahnsinn (3)

April 12, 2006

Nicht immer sind hohe Punkte gleichbedeutend mit hoher Qualität. Wen interessiert in der allmählich zum multinationalen Medien- und Wirtschaftsspektakel verkommenden Bordeaux-Weinwelt überhaupt noch die vorhin schüchtern angesprochene Seriosität?

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