Ö ist anders, auch beim Wein

März 26, 2009

Der Zufall will’s, dass ich mich gestern mit einem Weinfreund ausgiebig darüber ausgetauscht habe, warum die österreichischen Winzer derart erfolgreich sind (siehe u.a. die aktuellen Parker-Ratings) und was man in Deutschland oder Teilen Deutschlands davon adaptieren könnte, da stellt Dirk Würtz in seinem heutigen Posting „Die Zukunft des deutschen Weins“ seine orf-werbungSicht der Dinge dar. Ergänzend dazu hier ein Auszug meiner spontanen und sicher diskussionswürdigen Gedanken von gestern [auf die an mich gestellte Frage „Was können unsere Winzer und Winzerorganisationen vom Nachbarn lernen? Was müsste bei uns geändert werden?“]:

„Die Umstände sind’s, und da vor allem ein gutes Marketing (ÖWM), die Visibilität des Winzers über den reinen Weinfreak hinaus (Leute wie FX Pichler oder Ernst Triebaumer kennt man(n und frau)), gepaart mit ausgeprägtem Patriotismus und Nationalstolz beim Endverbraucher. Das treibt letztendlich fast jeden Nachwuchswinzer an, es seinem Nachbarn, der von der Presse bereits entdeckt wurde, gleichzumachen. Denn mit schlechter bzw. gepanschter Qualität ist man gerade in Ö schon einmal auf die Nase gefallen. Als Beispiel (wertfrei, schon gar nicht für „panschen“!) will ich Dirks ‚Potate‚ nennen: ein solcher Wein, wie auch der in D so populäre Binogridscho wäre in Ö kaum erfolgreich vermarktbar, schon gar nicht mit Cola, wohl aber exportierbar, wie es Exportschlager wie der ‚Kalmuck‚ (oder die ‚Kalmücke‘) von Franz-Josef Gritsch oder der  ‚GrüVe‚ der Jurtschitsch-Brüder zeigen.

Auch sonst würde ich Ö und D nicht vergleichen wollen. In D besteht die Spitze aus maximal 2 Rebsorten (Riesling und tw. Spätburgunder), in Ö sind’s in Weiß zumindest Riesling, Veltliner und Sauvignon blanc, ws. auch Chardonnay / Morillon und diverse autochthone G’schichten wie Rotgipfler, in Rot Blaufränkisch und Zweigelt- und/oder Blaufränkisch-basierte Cuvées. Die Vielfalt bei vergleichsweise kleinerer Menge ist einfach größer. Diese Grundstrukturen lassen ausser im Weinviertel und in Teilen des Burgenlands wenig Platz für Billigware, ganz abgesehen davon, dass der Konsument in Ö ohnehin bereit ist, mehr Geld für Wein als sein Counterpart in D auszugeben. Hier wurde der Konsument sukzessive erzogen, vom Winzer und von der Presse. In D geht ein Weinmagazin nach dem anderen pleite, in Ö gibt’s weiterhin mindestens deren 3 (A la carte, Vinaria, wein.pur, dazu noch Falstaff), auch das zeigt das anhaltende Interesse an Wein beim Volk.

Dass es diese „Deutsche (W)einheit“ nicht gibt, habe ich zu meinen Anmerkungen zu Stuart Pigotts Schmöker ja  schon geschrieben.“

Ergänzend dazu freut es mich natürlich ganz besonders, dass bei den aktuellen roten Österreichern genau die Betriebe vorne stehen, die ich von Beginn an begleitet und geschätzt habe, damals noch als „einsamer Schreier parker-o-rot-20071in der Wüste“. Besonders gut an den aktuellen Parker-Ratings gefällt mir die (IMO zu) hohe Bewertung vom ‚Eisenberg‚ (92!), Uwe Schiefers Basis-Blaufränkisch für weniger als 10,-. Den neuen Jahrgang (07) find‘ ich fast noch besser, und da vor allem den gleich teuren ‚Königsberg‚. Im Vergleich dazu sind die 90 Punkte für Gernot HeinrichsSalzberg‚ geradezu lächerlich.  Und there is more to come: merkt Euch Hannes Schuster mit seinen messerscharfen Zagersdorfer Weinen, u.a. auch ein Joint Venture namens M. Jagini mit Roland Velich. Genau dieser Wein ist bei vielen Weinfreunden bei der Erstvorstellung gnadenlos durchgefallen, ich weiß aber, dass David Schildknecht ihn genauso schätzt wie ich.

Bidquellen: (gefunden bei) vinissimus; m.klimek, berlin; ÖWM

5 Responses to “Ö ist anders, auch beim Wein”

  1. pivu Says:

    Gerne will ich auch das Fazit meines (ob dieser Analyse etwas enttäuschten) Gesprächspartners hier veröffentlichen, das den Vergleich D mit Ö nochmals zusammenfasst: „Deine Analyse ist sicher zutreffend aber leider für die hiesige Weinwirtschaft nicht weiterführend. Patriotismus bei Journalisten und Konsumenten würden wir uns hier auch wünschen. Ein Brite muss die Fahne des deutschen Weins hochhalten und das ist vor dem Hintergrund der produzierten Massenware und den Tricksereien vieler Winzer schon schwer genug. Eure Winzer sind gestärkt aus dem Weinskandal hervorgegangen. Bei uns steht in der großen Breite eine derartige Umorientierung noch bevor. Und es gibt Ansätze hierzu in Rheinhessen und in der Pfalz. Der m. E. entscheidende Unterschied ist in dem zu sehen, was Du als ‚Nationalstolz beim Endverbraucher‘ richtigerweise bezeichnest. In Ö sind selbst in den Supermärkten Vinotheken eingerichtet, die auch die Weine der Spitzenwinzer vermarkten. Bei uns orientiert sich der Verbraucher nur am Preis; billig billig ist die Devise und Basisqualität das Maß der Dinge. Bei derartigen Missständen im Verbraucherverhalten ist es auch schwer, Nationalstolz zu zeigen und nicht in das Lager der ‚Nestbeschmutzer‘ abzuwandern (… und wandte sich angewidert ab von seinem Volk und suchte sich ein neues …).“

    Wobei ich ergänzend anmerken will, dass es gerade jetzt in D erste Ansätze gibt, auch lokale Weine mithilfe guten Marketings, und wenn’s nur das Label oder der Name eines bekannten Winzers ist, zu einem guten Preis zu verkaufen. Ein gutes Beispiel ist der hier genannte ‚Edition Fritz Keller‘ (bei Aldi für 5,99 €) für den größten deutschen Weinhändler. Und sogar der Boulevard springt auf den Zug auf, ähnlich wie damals in Ö.

  2. Bernhard Says:

    Dein Patriotismus in allen Ehren, aber deine im zweiten Beitragsabsatz geschilderten Wahrnehmungen erscheinen mir einigermaßen selektiv.

    Otto Normalweintrinker kennt in den allermeisten Fällen weder FX noch ET, möglicherweise aber Leo H. 😉 .

    Und was die Nichtvermarktbarkeit von Pinogrigscho betrifft und diverse Weinmischgetränke, so solltest du dir mal die Importstatistik für Billigst-Prosecco zu Gemüte führen und das Trinkverhalten mehr oder weniger jugendlicher Normalweinkonsumenten studieren. Den G’Spritzten wirst du ja wahrscheinlich kennen, Cola weiß und Rot, Tiroler (Weißwein mit Almdudler), Dreiermischungen und wahrscheinlich noch allerhand sonstiges sind in Österreich weiter verbreitet, als du offenbar glaubst.

    BTW: Ausgerechnet der Ex-ÖWM-Chef hat übrigens Spritzer in Dosen vermarktet (sich aber mittlerweile wieder aus diesem Marksegment verabschiedet).

    Und: Grüve läuft meines Wissens auch in Österreich gut, und von den Junkern wollen wir gar nicht reden…

  3. pivu Says:

    Bernhard, Du wirst mir nicht widersprechen, wenn ich Dir sage, dass der Bekanntheitsgrad eines ET oder FX in Ö um einiges höher ist als der eines vergleichbaren Spitzenwinzers in D. Darum geht’s mir.

    Zum Binogridscho: in D wird er getrunken und tw. als „Kultgetränk verehrt“, weil er NICHT aus D kommt, in Ö werden vergleichbare Qualitäten konsumiert, wenn sie aus Ö kommen. Einen No-Name Binogridscho wirst Du im Wirtshaus um die Ecke kaum noch finden, dafür aber einen DAC aus dem Weinviertel. Genau umgekehrt ist’s mit dem Konsumverhalten in D.

    Und der Versuch des Dosen-G’spritzen von Michael Thurner zeigt doch nur Potenzial und Qualität des Marketings für einheimische Produkte, wie eben auch beim Junker, genauso wie beim jungen Wiener. Warum soll der Markt für heranwachsende Weintrinker auch nicht bedient werden? Gerade in diesem Segment macht man in D so ziemlich alles falsch, eine Werbekampagne nach der anderen entwickelt sich zum Rohrkrepierer.


  4. […] Andere Wege geht man in Österreich. Getreu dem Motto „Sex sells“ posieren Jahr für Jahr attraktive Winzerstöchter […]


  5. […] Diesen interessanten Artikel zum Thema „Österreich ist anders, auch beim Wein“ verfasst von Pivu vom six-to-nine Blog wollte ich euch nicht […]


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